Die angepassten Richtlinien sind für Pflegepersonal und –bedürftige eine Zumutung

Stellungnahme der SP Thurgau zur Anpassung der Richtlinien in den Pflegeheimen des Kantons Thurgau

Die heutigen Pflegeheimbewohner sind durchschnittlich 86 Jahre alt, 53% sind kognitiv beeinträchtigt und weisen eine mittlere bis hohe Pflegeabhängigkeit auf. Die Herausforderung für die Betreuung und Pflege dieser Menschen liegt auf der Hand. Die demographische Entwicklung trägt dazu bei, dass diese Aufgabe in den Pflegeheimen kontinuierlich zunimmt und es somit auch personell und finanziell einen grossen Handlungsbedarf gibt.

Es ist deshalb unverständlich, dass der Kanton Thurgau nun die Anforderungen in den Bereichen Personal sowie Pflege und Betreuung herunterschraubt. Die Argumentation, dass durch die Anpassung dem herrschenden Fachkräftemangel Rechnung getragen wird, ist für uns ein Fauxpas.

Alte Menschen pflegen kann jeder oder was?!

Das sind nichts als Sparmassnahmen auf Kosten der alten Menschen, die gerade am Ende ihres Lebens mit ihren multiplen Krankheiten auf professionelle Pflege angewiesen sind. Es ist eine klare Abwertung der Pflege im Heimbereich und eine Stigmatisierung von alten Menschen.

Während der Pflege ein Gespräch zu führen, Lebensthemen anzusprechen und dabei auch noch auf Schmerzen zu achten ist eine Kunst. Das kann nicht die Aufgabe des Assistenzpersonals sein. Dafür braucht es qualifiziertes Personal.

Nun werden genau diese Qualifikationen so herab gesetzt, damit

  1. Abschlüsse auf Sekundarstufe II mit einem eidg. Fähigkeitszeugnis der diplomierten Pflegefachfrau gleichgesetzt sind
  2. Finanziell Einsparungen gemacht werden können
  3. Pflegequalität herab gesetzt wird
  4. Ausbildungsplätze gefährdet werden

Es ist klar die Verantwortung der diplomierten Pflegefachfrauen und -männer (dafür sind sie auch geschult und haben eine 5-6 jährige Ausbildung absolviert) die hohe Qualität und den Bedarf der Pflege zu gewährleisten. Dies können sie aber nur übernehmen wenn sie 24 Stunden vor Ort sind und nicht nur von 07.00 bis 22.00 Uhr, wie neu vorgesehen. Danach werden die Bewohner durch weniger qualifiziertes Fachpersonal oder Assistenzpersonal betreut. Die Pflegefachkraft muss innerhalb von 30 Minuten vor Ort sein. Eine lange Zeit wenn jemand z.B. akut Atemnot hat und das Personal vor Ort unzureichend für solche Notfälle geschult ist. Es ist eine Überforderung für die Person vor Ort und führt nicht zu einer längeren Verweildauer im Beruf! Auch für die diplomierten Pflegefachpersonen ist es nicht attraktiv zusätzlich zu den vielen Schichtdiensten an Wochenenden und abends noch mehr Pikettdienste zu leisten. Dies fördert in keinster Weise die Attraktivität des Pflegeberufes.

Gute und faire Arbeitsbedingungen wie Teilzeitarbeit, angemessene Löhne, Ausbildungsplätze für Wiedereinsteiger und Berufsneueinsteiger sind der Schlüssel zu genügend qualifiziertem Personal und nicht die Anpassung bzw. Herabsetzung des Ausbildungsniveaus von gefordertem Fachpersonal!

Je weniger Diplompflege vor Ort ist, desto gefährdeter sind auch die Ausbildungsplätze. Nur diplomierte Pflegefachpersonen sind qualifiziert andere an der Pflege beteiligten Personen bis zum Abschluss einer Ausbildung zu betreuen. Ist dies nicht gewährleistet kann ein Betrieb die Bewilligung zur Ausbildung verlieren. Das würde den Pflegefachkräftemangel nur noch anheizen und damit genau das Gegenteil bewirken, was der Regierungsrat erreichen möchte. Nötig wären neben den verbesserten Arbeitsbedingungen auch Investitionen in die Ausbildung – wie es nach einer Motion von Barbara Kern im Kantonrat auch geschehen ist.  Der Regierungsrat torpediert also auch die eigene Politik der letzten Jahre.

Die SP Thurgau ist strikt gegen solche Sparmassnahmen in der Pflege! Geringere Anforderungen an die Ausbildung des Personals und ein weiterer Anreiz, ausgebildete Fachkräfte aus dem nahen Ausland zu rekrutieren – wo ein noch massiverer Pflegenotstand herrscht – können nicht die Antwort auf die demographische Entwicklung in unserer Gesellschaft sein.

Es ist dringend notwendig, dass der Regierungsrat nochmals über die angepassten Richtlinien diskutiert und zwar nicht nur mit der Arbeitgeberseite, sondern auch mit den ArbeitnehmerInnen vor Ort.

Barbara Dätwyler

GL SP Thurgau

Präsidentin des Berufsverbandes der Pflegefachpersonen Sektion Ostschweiz

Die Anpassung der Richtlinien kann hier nachgelesen werden.

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