Das heutige Grossratsgeflüster wurde von Kantonsrätin Marion Sontheim aus Bottighofen verfasst.
Grossratsgeflüster vom 19. Februar
Als die Ratsmitglieder nach den Fraktionssitzungen den Saal im Weinfelder Rathaus betreten, ist die Tribüne gut gefüllt. Zahlreiche Personen warten gespannt auf ihre Einbürgerung. Während manchen die Vorfreude ins Gesicht geschrieben steht, ist bei anderen eine gewisse Anspannung zu erkennen.
Bundesgerichtsurteil – beugen oder rebellieren?
Die Ratssitzung beginnt nach der Begrüssung durch den Grossratspräsidenten mit einem besonders spannenden Traktandum: den Kantonsbürgerrechts-Gesuchen von 170 ausländischen und 10 Schweizer Bürgerinnen und Bürgern. Wobei so richtig spannend eigentlich nur eines, das Gesuch Nummer 81 ist. Diese wurde von der Justizkommission – entgegen einem Bundesgerichtsentscheid – zur Ablehnung empfohlen. Von den dazu vorgebrachten Voten befasst sich eigentlich keines mit der Frage, ob man dieses Gesuch annehmen will, sondern vielmehr damit, ob das Gesuch angenommen werden muss. Ist es sinnvoll, sich gegen das Bundesgericht zu stellen, das – wie ein Kantonsrat treffend formuliert – «möglicherweise irrt, aber wenn es irrt, dann letztinstanzlich»? Ist es legitim, gegen die eigene Überzeugung zu stimmen, um die Kosten eines vermutlich aussichtslosen Verfahrens zu vermeiden? Eine klassische Dilemmasituation. Selten sieht man so viele ratlose Gesichter im Ratssaal wie vor dieser Abstimmung. Am Ende wird das Kantonsbürgerrechts-Gesuch abgelehnt – und das Thurgauer Parlament rückt mit diesem Entscheid in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit.
Digitale Medien und Kindheit – eine gute Kombination?
Emotional geht es weiter mit der Diskussion zur Interpellation: «Wie viel Computer verträgt die Kindheit?». Die Debatte zeigt: Fast alle Rednerinnen und Redner erkennen sowohl die Chancen als auch die Risiken digitaler Medien im Unterricht – bewerten diese aber ganz unterschiedlich. Sollten Kinder bereits in der frühen Schulzeit mit digitalen Medien arbeiten, oder könnte ihnen das schaden? Wird das freie Spiel durch die zunehmende Digitalisierung verdrängt, oder gibt es dafür andere Gründe? Welche Verantwortung trägt die Schule, welche das Elternhaus? Und sind Eltern überhaupt noch in der Lage, den Medienkonsum ihrer Kinder zu kontrollieren, wenn diese von der Schule mit Tablets ausgestattet werden? Die lange, angeregte Diskussion macht deutlich, wie unterschiedlich die Positionen sind – wobei viele der frühen digitalen Mediennutzung kritisch gegenüberstehen.
Richterlicher Entlastungsdienst
Nach dieser ausgedehnten Debatte drängt die Zeit: Der Uhrzeiger nähert sich unaufhaltsam der 12. Die Stimmenzähler:innen verlieren keine Minute und verteilen die Wahlzettel für die geheime Wahl einer ausserordentlichen Berufsrichterin am Bezirksgericht Kreuzlingen. Die Wahl wird nötig, weil der aufwendige Fall Kümmertshausen zu einer erheblichen Mehrbelastung geführt hat und viele Ferienwochen aufgelaufen sind. Mit einem Glanzresultat wird Christine Steiger gewählt – eine Entscheidung, die für dringend benötigte Entlastung sorgen soll.
Was du heute kannst besorgen
Nach dieser Wahl wären manche Ratsmitglieder wohl bereit fürs Mittagessen, doch der Grossratspräsident nutzt die verbleibende Zeit geschickt: Er bringt noch zwei Traktanden zur Abstimmung – die Schlussabstimmung über die Änderung des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern sowie die zweite Lesung des überarbeiteten Planungs- und Baugesetzes (PBG). Dass es dazu keine Wortmeldungen mehr gibt, überrascht nicht – und hat sicher nichts mit den knurrenden Mägen im Saal zu tun.