Das heutige Grossratsgeflüster wurde von Kantonsrat Felix Meier aus Romanshorn verfasst.
Grossratsgeflüster vom 23. Oktober
Auch wenn die Sitzung des Grossen Rates von letzter Woche nur halbtägig angesetzt war und mit einem Gelübde, einer Wahl und einer zweiten Lesung eine durchaus überschaubare Arbeitslast aufwies, war es doch eine bemerkenswerte Sitzung.
Vielleicht nicht im Sinne all derjenigen, welche hinter sämtlichen Normabweichungen gleich das Wirken des Satans wittern. Denn: es war eine sehr farbige, ja ich würde sogar sagen diverse Sitzung. Für jeden Geschmack war etwas dabei – und das ganz ohne ideologisches Über-/Um-/Hinein- und/oder Fehl-Interpretieren.
Gesuche mit Nebengeräuschen
Das Ablegen des Amtsgelübdes – auch wenn man es schon x-mal erlebt hat – ist immer wieder ein (kurzer) Moment des Erinnerns, woran wir uns messen (lassen) sollten.
Entgegen gewisser medialen Wellen im Vorfeld gingen die Kantonsbürgerrechts-Gesuche mit einer rekordverdächtigen Anzahl von Bewerberinnen ruhig und gesittet über die Bühne. Erklärt das die ausserordentlich hohe – und irgendwie auch beschämende – Zahl von Nein-Stimmen bzw. Enthaltungen? Man wird es nie wissen…
Unermüdlicher Einsatz für Long-Covid-Betroffene zahlt sich aus
Das eindeutig unmittelbarste Traktandum war die Interpellation zum «Chronischen Fatigue Syndrom». Dank der unermüdlichen Anstrengungen von Marina Bruggmann und drei weiteren Mitstreiterinnen ist dieses Thema endlich auch auf kantonaler Ebene angekommen. Dies allein ändert zwar für die Betroffenen noch nichts, doch die Versäumnisse, das Unverständnis, die Passivität und das schlichte Ignorieren liegen nun auf dem Tisch der Öffentlichkeit. Und wie der Philosoph Peter Sloterdijk schreibt, gibt es kein Zurück hinter die Aufklärung. Hoffen wir es!
Auch die Ersatzwahlen für die Rekurskommission in Anwaltssachen erfolgte äusserst divers: sowohl was die Zahl und Herkunft der Kandidaten betraf als auch die Farbe der Stimmzettel für die diversen Wahlgänge. Hätten sich noch mehr Kandidaten und vielleicht auch Kandidatinnen – zur Wahl gestellt, hätte man wohl die ganze Farbpalette des Regenbogens für die Wahlzettel bemühen müssen.
Kohlenstoff und Regenwürmer gehören in den Boden
Zum Schluss gab es – nicht zur Freude aller, vor allem gestalterischer Parlamentarier:innen – noch eine wissenschaftliche Vorlesung zum Thema des «Carbon Farming» - unter Berücksichtigung des Beitrages der Regenwürmer. Sicher ein wichtiges Thema, ob es der richtige Ort war – Zweifel sind erlaubt.
Auf jeden Fall kann nach diesem Morgen niemand der Thurgauer Grossen Rat vorwerfen, er sei eine monotone und monochrome Angelegenheit.