Das heutige Grossratsgeflüster wurde von Kantonsrätin Ursi Senn-Bieri aus Weinfelden verfasst.
Der Grosse Rat trauert um Sonja
Zu Beginn der Sitzung gedachte das Kantonsparlament unserer verstorbenen Regierungsrätin Sonja. Einfühlsame, wertschätzende Worte von Peter Bühler und Marina Bruggmann, gemeinsames Schweigen in inniger Verbundenheit, berührende Trompetenklänge. Eine brennende Kerze, Blumen und ein Bild – Sonjas Stuhl bleibt leer.
Auch wenn es allen schwerfiel, der Grossratspräsident führte zurück in den Ratsbetrieb mit der Bitte, auf Beileidsbekundungen in den Voten zu verzichten. Wir sind überzeugt, dies hätte Sonja auch so gewollt.
Das Ruhetagsgesetz kommt nicht zur Ruhe. Zwar wurde es in der Schlussabstimmung mehrheitlich gutgeheissen. Mit 44 Stimmen wurde jedoch das Referendum ergriffen. Somit hat das Volk das letzte Wort.
Die Teilrevision des Planungs- und Baugesetz (PBG) war notwendig, um die Thurgauer Gesetzgebung den Änderungen der nationalen Gesetzgebung anzupassen. Der dringend notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien soll mittels vereinfachten und unkomplizierten Verfahrens beschleunigt werden. Die vorberatende Kommission verfolgt bei der Teilrevision des PBG die Grundhaltung, so viel wie möglich beim Alten zu belassen und die Eigentümer so wenig wie möglich einzuschränken.
Die Anträge der Grünen zur Förderung der Biodiversität und zu qualitätssichernden Massnahmen bezüglich Bau und Freiraum fanden leider trotz Unterstützung der GLP und unserer Fraktion keine Mehrheit.
Persönliche Erkenntnis
Der Ausdruck «soweit erforderlich» bedeutet, dass eine bestimmte Massnahme oder Einschränkung nur dann angewendet wird, wenn sie notwendig ist. In einer Aufzählung von Einschränkungen wird damit signalisiert, dass nicht alle genannten Punkte in jedem Fall zur Anwendung kommen, sondern nur, wenn die jeweilige Situation es erfordert.
Der Ausdruck «insbesondere» bedeutet, dass eine Liste von Beispielen für Einschränkungen oder Regelungen nicht abschliessend ist, sondern noch ergänzt werden kann.
Unter diesem Aspekt erstaunt es wenig, dass die Diskussion um die Aufzählung von Einschränkungen bezüglich Gestaltungspläne im Rat eine Mehrheit für «soweit erforderlich» gestimmt hat.
Weder die Qualität beim Bauen noch den erweiterten Gestaltungsspielraum für die Wahrung öffentliche Interessen für Gestaltungspläne fand im bürgerlich dominierten Parlament eine Mehrheit. Dabei wäre mit der zunehmend dichteren Nutzung der Landschaft die Qualität des Bauens und der Freiraumgestaltung ein wichtiges Anliegen zu Gunsten des Gemeinwesens.
Es ist schade, dass der Bericht über die Freiwilligenarbeit im Thurgau, den das Parlament im August 2023 verabschiedet hat, einen solchen Umweg nehmen musste. Das Geschäft wurde leider liegen gelassen. Erst mit dem Budget 2025 wurde Geld gesprochen. Endlich nimmt das Geschäft Fahrt auf. Wir sind gespannt auf den Bericht. Was wir jetzt schon wissen, ist, dass in unserem Kanton Freiwilligenarbeit von unschätzbarem Wert geleistet wird.
Parlamentarische Initiative zu maximalem steuerlichem Abzug der Krankenkassenprämien
Was verlockend klingt, erweist sich als Trugschluss. Erweiterte Steuerabzüge für Krankenkassenprämien würden in erster Linie hohe und mittlere Einkommen entlasten. Dem Kanton, den Gemeinden, den Schulen und den Kirchen entgingen dadurch Steuereinnahmen in der Höhe von 20 Millionen Franken. Die Entlastung über Steuerabzüge entlastet Personen, die nicht unbedingt darauf angewiesen sind. Die individuelle Prämienverbilligung hingegen entlastet diejenigen, die darauf angewiesen sind. Diese Giesskannenvorlage wird mit einer klaren Mehrheit von 73 Stimmen (32 dafür) abgelehnt.
Die Motion: Warme Progression analog der kalten Progression gesetzlich regeln wurde glücklicherweise vom Rat für nicht erheblich erklärt. Unser schweizerisches Steuersystem basiert auf dem Leistungsfähigkeitsprinzip: Wer mehr verdient, kann es sich eher leisten, einen höheren Prozentsatz seines Einkommens abzugeben. Dieses progressive Steuersystem trägt dazu bei, die Einkommensunterschiede von oben nach unten auszugleichen und die Finanzierung der öffentlichen Leistungen gerechter zu verteilen. Im Gegensatz zur kalten Progression (Kaufkraftverlust durch Inflation) wird die warme Progression in der Schweiz nicht ausgeglichen. Würde die warme Progression ausgeglichen, würden Personen, die mehr verdienen, nicht mehr Steuern bezahlen. Dies widerspricht der Bundesverfassung, welche die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vorschreibt. Dieses neoliberale Anliegen der gesetzlichen Regelung für den Ausgleich der warmen Progression wird im mit 60 Stimmen gegen 45 Stimmen abgelehnt.
Die Motion: Gesetzliche Grundlagen für die Einführung einer Lenkungsabgabe im Rahmen eines Tourismusförderungsgesetzes wurde als letztes Traktandum im Rat behandelt. Die unpräzise Formulierung der Motion führte zu zahlreichen Wortmeldungen. Trotzdem konnte das Anliegen, die Einführung einer Kurtaxe und damit die Tourismusförderung in gesetzlichen Grundlagen zu verankern, eine Mehrheit von 69 Ratsmitgliedern überzeugen. Die Regierung ist nun aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen.
Die ganztägige Sitzung des Kantonsrates am 5. Februar 2025 war von einer traurigen Stimmung geprägt. Immerhin gab es einen Moment des Schmunzelns, als bei der Abstimmung über die Verankerung der Förderung der Biodiversität das elektronische Abstimmungssystem versagte und wieder wie früher von den Stühlen aufgestanden werden musste, um abzustimmen.
Herzlichst
Ursi